Symbolbild: Frau mit Footballtypischer Bemalung, bereit loszusprinten.

Ich arbeite als Trainerin in einem Damenfitnessstudio. Theologie und Fitnessstudio, wie passt das zusammen? Das haben sich einige meiner Kundinnen gefragt. Meistens kam die „Was studierst du denn“-Frage, während die Damen auf dem Fahrradergometer saßen und wir den obligatorischen „Fit-Check“ durchführten. Die meisten vermuteten naheliegender Weise eine Sportstudentin, aber mit dem Theologiestudium habe ich nicht selten für Irritation gesorgt.

Für mich selbst war es nie eine Frage, wie das zusammenpasste, es passte schlicht. Vieles, was ich in meinem bisherigen Studium und besonders in den pastoralpsychologischen Kursen oder den Praktika gelernt hatte, konnte ich bei meiner Arbeit gut einsetzen – mal bewusst, mal unbewusst.

Ich bin so vielen verschiedenen Typen „Frau“ begegnet und gerade das stellte für mich als Trainerin und in gewissem Sinne auch als Seelsorgerin jedes Mal aufs Neue die Herausforderung dar. Es ging nicht darum bei jeder Dame das gleiche einstudierte Programm abzuspielen, die körperlichen Ausdauer- und Körperfett-Checks zu machen; vielmehr ging es mir darum zu erfahren, welcher Mensch hinter den Daten steckt, die mir die Messgeräte liefern. Immer wieder galt es zu fragen: Wer sitzt da vor mir und warum sitzt die Dame dort? Und im Gegenzug: Was kann ich tun und wie ihr helfen, sodass sie ihre Ziele erreicht.

Die Person im Blick

Von der 20-jährigen Muslima, der ich nur im Studio ohne Kopftuch begegnete, bis zur über 70 Jahre jungen Dame, mit der ich viele Kilometer durch die Stadt joggte, habe ich so viele wundervolle Damen in dieser Zeit kennengelernt. Als Trainerin war es wichtig, mich jedes Mal neu auf mein Gegenüber und seine Lebenswelt einzulassen. Es hätte keinen Mehrwert gehabt, bloß Gesundheits- und Fitnesspredigten zu halten und mit Fachbegriffen um mich zu werfen, wenn mein Gegenüber nicht nachvollziehen konnte, wovon ich spreche.

Ebenso mussten die Ziele jeder Dame individuell angepasst werden. Sie dürften weder utopisch und überfordernd sein, noch unterfordernd. Gleiches galt für Ernährungsgewohnheiten. Sicherlich hatte ich als Trainerin einen Master-Plan im Kopf, doch dieser musste auf die Lebensumstände jeder Einzelnen abgestimmt werden, sodass verschiedene Faktoren, die wie z.B. die Kinder oder aber der Ramadan den Tagesrhythmus vorgeben, berücksichtigt werden mussten. Dabei konnte ich eine Gewissensbildung anstoßen, jedoch nicht meinen perfekten Plan den anderen indoktrinieren.

Diese, für mich so wichtigen Grundsätze, versuchte ich bei jeder Tätigkeit im Fitnessstudio zu berücksichtigen und egal ob es Ernährungsgespräche, Zielsetzungen oder Trainingspläne waren, die es zu strukturieren galt: Die Person die vor mir saß, sollte in ihrer und nicht meiner Lebenswirklichkeit abgeholt werden. Ich musste mich auf sie einlassen, sie und ihren Alltag verstehen, mich einfühlen und Empathie zeigen, denn dadurch entstand eine gemeinsame Basis, sodass jede Begegnung und jedes Stück des Begleitens fruchtbar werden konnte und Freude bereitete.

Als Trainerin ist es mir stets wichtig authentisch zu bleiben und Zeugnis zu geben, aber auch eigene Schwächen eingestehen zu können. Man sollte selbst sportlich aktiv und fit sein, aber auch eingestehen können, dass der Sport in manchen Phasen zu kurz kommt und es Zeiten gibt, in denen andere Dinge Vorrang haben.

Bestenfalls kann so Lebensqualität (wieder)gegeben werden und man ich selbst wieder in Einklang bringen. Dabei hat manchmal der Bauch-weg-Gürtel während des Trainings geholfen und ein anderes Mal ein paar aufmunternde Worte und ein bisschen geschenkte Zeit.

… vom Einzelnen her denken

„Herausgerufen“ heißt das Synodenpapier des Bistums Trier. Ich glaube auch damit kann Fitnessstudio zu tun haben. Nämlich dann, wenn ich mich als Theologin mit meinen Stärken und Schwächen in einem Fitnessstudio einbringe. Und auch dann, wenn ich mich an andere neue fremde Orte begebe. Dann kann jede und jeder mit dem, was er und sie als Person mitbringt, sich einbringen.

Das Herausgerufen sein in die Welt, an die Orte, die wir bisher noch nicht als Kirche kennen, darin sehe ich eine große Chance. Fremden Stallgeruch annehmen und Menschen ohne kirchlichen Stallgeruch aufsuchen.

CategoriesAllgemein
Christina Fuhrmann

studiert kath. Theologie, ist gerne sportlich unterwegs und liebt die (Schweizer) Berge, weil sie dort den Kopf für das wirklich Wichtige freibekommt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert