Symbolbild: Blick aus dem Fenster eines Flugzeuges. Schweizerflagge auf dem Flügel.
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Meine Erfahrungen in der Schweiz

Ruach. Geist. Frischen Wind.

Den wünsche ich mir. Für meinen ersten Artikel und um ein Vielfaches mehr für unsere Kirche.

Wenn ich „unsere“ Kirche sage, dann frage ich mich manchmal selbst, was und vor allem wen ich damit meine, denn ich erlebe Kirche vor allem „intern“ immer häufiger als uneinheitlich. Im Umfeld meiner Kommilitonen nahm ich an, man würde verstehen, was ich mit Kirche meine. Nachdem ich einen Monat lang ein Praktikum in der Schweiz gemacht habe, denke ich das nicht mehr, denn ich fühle mich missverstanden in meiner Heimat. Ich fühle mich fehl am Platz mit meiner Theologie und mit meinen Vorstellungen einer zukunftsfähigen Pastoral.

Es wird in meinem Umfeld derzeit viel über Strukturreformen, Veränderungen und neue Möglichkeiten gesprochen. Die einen denken fortschrittlicher als die anderen und was für die einen viel zu wenig Fortschritt bedeutet, ist für die anderen gerade so eine akzeptable Neuerung, ohne gegen das Kirchenrecht zu verstoßen.

Spontan würde ich mich zu denen zählen, denen alles grundsätzlich viel zu wenig ist. Wie viel „viel zu wenig“, das wurde mir während meiner Zeit in der Schweiz bewusst.

Die Schweiz ist sicherlich nicht das Paradies auf Erden und auch schweizweit sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Bistümern nicht zu verkennen. Es handelt sich bei der Schweiz aber nicht um die ultraliberale, priesterdiskriminierende, pastorale Landschaft, als die sie mir hierzulande oft dargestellt wurde. So etwas behaupten nur Menschen die Angst vor Veränderung und Machtverlust haben.

Ich sehe mich nicht als Feministin und ich bin nicht priesterfeindlich, im Gegenteil, aber die Zeiten, in denen Theologen manche Canones des Kirchenrechts zur Wahrheit schlechthin erheben, sollten ein Ende haben.

Ich plädiere dafür, dass es in der heutigen Zeit und Gesellschaft möglich sein sollte die Chancen und Ressourcen, die gut ausgebildete Laientheologen nach einem 10-semestrigen Studium darstellen, zu erkennen und zu nutzen. Ebenfalls plädiere ich dafür elendige Machtkämpfe zwischen Laien und Klerikern zu beenden und ich möchte all jene Priester, die noch auf ihren hohen Rössern sitzen, bitten abzusteigen. Es ist dringend nötig, dass wir uns von einem klerikal geprägten Kirchenverständnis verabschieden. Kirche ist da, wo Christen sind, nicht wo der Priester ist.

Vor einem Jahr machte ich ein Praktikum in einer vakanten Pfarrei, in der ein Ende 70-jähriger Priester die Pfarrverwaltung übernommen hatte, damit die Pfarrei ordentlich geleitet wird. Ein unzumutbarer Zustand wie ich finde. Vernünftiger- und menschlicherweise hätte man den Priester vor Überarbeitung schützen und einen kompetenten Laientheologen einsetzen können. Aber der ist schlicht nicht geweiht, das Kirchenrecht verbietet es und damit ist die Diskussion zu Ende. Für viele. Für mich nicht, denn ich habe erlebt, wie es anders geht.

Vier Wochen lang durfte ich kürzlich in einer Pfarrei mitarbeiten, die von einer tollen Frau geleitet wird und in der sich mir der Priester als „priesterlicher Mitarbeiter“ vorstellte. Allein diesen Begriff musste ich mir auf der Zunge zergehen lassen. Im Bistum Basel gehört der Predigtdienst selbstverständlich zum Stellenprofil eines Pastoralassistenten und einer Pastoralassistentin dazu. Neben kategorialen Einsatzfeldern und der Mitarbeit in einer Pfarrei ist ebenso eine Stelle in leitender Funktion (wie z.B. die Gemeindeleitung) möglich. Was sicherlich so auch in Deutschland möglich wäre, ist wiederum nicht codexkonform und damit für viele nicht weiter hinterfragbar. Ich mache es dennoch. Ich behaupte, dass es überwiegend Priester sind, die durch dieses System im ersten Moment etwas zu verlieren haben, nämlich Macht. Aber wie viel mehr Wert hätte es für die Gesamtheit? Leider sind es aber die Priester, die in letzter Instanz das Sagen haben.

Ich habe erlebt wie eindrucksvoll und katholisch die Arbeitsweise in der Schweiz sein kann. Ich kann nun von Wortgottesfeiern erzählen, die ihrer Intention gerecht werden, die authentisch sind und eben nicht nur der billige Ersatz für eine Eucharistiefeier, wenn mal wieder kein Priester zur Verfügung steht. „Charismenorientiertes Arbeiten“ ist nicht mehr länger eine leere Worthülse für mich, sondern ein Begriff, den ich mit Leben füllen kann. Ich habe begnadete Theologen und Theologinnen erlebt, die uns viele Schritte voraus sind und ich habe vieles erlebt, wovon ich bisher nur träumen konnte. Und dieser Traum von einer Ressourcen und Charismen nutzenden Kirche, in der die vielen Glieder tatsächlich zu einem Leib werden und in dem jedem Glied die gleiche Würde zukommt, ist nicht weit entfernt. Google Maps sagt es sind 373 Kilometer bis dorthin.

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Christina Fuhrmann

studiert kath. Theologie, ist gerne sportlich unterwegs und liebt die (Schweizer) Berge, weil sie dort den Kopf für das wirklich Wichtige freibekommt.

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